Rinderzucht Tirol Generalversammlung – Zukunft Milchmarkt
170 Teilnehmer konnte AR-Vorsitzender Kaspar Ehammer begrüßen. Aktuell werden in der Rinderzucht Tirol 6.269 (+11) Zuchtbetriebe mit 61.998 (+1.260) Zuchtkühen von 23 Rinderrassen züchterisch betreut. 56.439 (+989) Kühe stehen unter Milch- und 5.559 (+271) unter Fleischleistungskontrolle. Wie Vorstandsvorsitzender Christian Straif hervorhob, finden seit 25 Jahren die Merkmalskomplexe Fitness und Fleisch eine immer größere Berücksichtigung. Seit 2010 gibt es zudem die Berücksichtigung der Gesundheitsdaten in der Zuchtarbeit. 2023 wurden die ersten Klauengesundheitswerte für die Rassen Fleckvieh und Brown Swiss veröffentlicht. Für die Weiterentwicklung der Zuchtprogramme stellt die Datengrundlage aus Leistungskontrolle, Herdentypisierung, Gesundheitsdaten, Klauenpflege, Effizienzmerkmalen, automatisierten Melksystemen und Laboruntersuchungen eine wichtige Grundlage dar.
In der Vermarktung konnte 2023 auf den Versteigerungen wieder ein Preisanstieg verzeichnet werden. Insgesamt wurden 6.699 (+410) Tiere mehr vermarktet. Abhof wurden 927 (+27) Tiere vermarktet. Generell wird die Abhofvermarktung in Drittlandstaaten immer mehr von der Tierwohl-Diskussion beeinflusst. Eine der wichtigsten und größten Bereiche in der Rinderzucht Tirol ist die Schlacht- und Nutzviehvermarktung. Vorstand Michael Wurzrainer berichtete, dass 2023 mit 18.900 vermarkteten Rindern fast gleich viel Tiere wie im Vorjahr vermarktet wurden. Nach der guten Absatzsituation im vergangenen Jahr stellen aktuell die Kostensteigerungen in allen Bereichen eine große Herausforderung dar. Große Anstrengungen unternimmt man in die Stärkung der heimischen Kalbfleischproduktion mit den beiden Projekten Kalb Rosè und Fresserproduktion. Gerade die aktuellen Diskussionen in den Medien verlangen hier nach Lösungen.
Im Hauptreferat des Abends referierte Georg Hiepp aus Bayern über die zukünftigen Herausforderungen am Milchmarkt unter den Aspekten Milchpreis, Halteformkennzeichnung und Marktgestaltung. Gemeinsam mit seinen zwei Brüdern bewirtschaftet er einen Biobetrieb mit 150 Milchkühen nahe der Stadtgrenze zu Kempten. Er ist Vorstand in der Bayern MeG. Diese koordiniert die Milchvermarktung von rund 6,0 Mrd. kg Milch bzw. 131 Erzeugerorganisationen mit rund 12.000 Milcherzeugern aus zwölf Bundesländern. Prägend für den Markt sind für den Markt Angebot und Nachfrage, Wettbewerb und Psychologie. Aufgrund der Hochpreisphase 2022 und 2023 gab es kurzfristig eine um bis zu 8 % höhere Milchanlieferung in Deutschland. Dem gegenüber standen Rückgänge im Absatz von Konsummilch, Joghurt, Käse und Butter und Zuwächse im Absatz von Milch- und Käseimitaten. Der Rückgang an Konsummilch, Käse- und Butterabsatz entspricht in Summe 1,1 Mrd. kg Milch oder einem Milchmengenanteil in Deutschland von über 3 %. Weitere Herausforderungen für Hiepp sind für den Milchabsatz generell das Image der Milch, wo teilweise erschreckende Informationen schon im Schulbereich gelehrt werden. Noch nicht einschätzbar sind die Auswirkungen auf den Milchmarkt durch die Präzisionsfermentation zur synthetische Milchproduktion. Bereits deutlich wirksam wird in Deutschland die Herausforderung in der Klimathematik, wo ab 1.1.2025 Unternehmen im Rahmen des Green Deals Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit in ihren Bilanzen führen müssen. Im Klimaschutzgesetz ist festgeschrieben, dass die deutsche Landwirtschaft bis 2030 ihre Emissionen um 10 % reduzieren muss.
Bereits voll gegriffen hat in Deutschland die Halteformkennzeichznung im Handel. Am Beispiel eines deutschen Lebensmitteleinzelhändlers zeigte Hiepp auf, dass das 2021 ausgegebene Ziel, bis 2030 nur mehr 100 % Milch aus den Haltungsformen 3 und 4 zu verkaufen, bereits im Frühjahr 2024 erreicht wird. Haltungsform 3 und 4 bedeutet, dass die Milchkühe deutlich mehr Platz haben und in Laufställen mit oder ohne Weidezugang gehalten werden. Die Kombinationshaltung ist in Deutschland in Haltungsstufe 2 zu finden. Aktuell laufen in Deutschland Gespräche die Haltungsform 4 „Premium“ aufzuteilen in „Auslauf und Weide“ und „Bio“. In Deutschland gibt es aktuell eine Gesetzesinitiative, welche die Anbindehaltung in fünf Jahren verbieten will. Laut Entwurf soll die Kombinationshaltung dabei nur in Ausnahmefällen bis maximal 50 Rindern erlaubt sein. Gleichzeitig müssen Tierhalter während der Weidezeit Zugang zur Weide oder mindestens zweimal in der Woche Zugang zu Freigelände sicherstellen, wenn das Weiden nicht möglich ist.
In ihren Grußworten wiesen Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler und Präsident NR Josef Hechenberger darauf hin, dass man in Österreich aktuell in Gesprächen mit dem Handel steht, um die Halteformkennzeichnung für die Bauern und Bäuerinnen auch umsetzbar zu machen. Besonders die Kombinationshaltung ist hier ein großes Anliegen, den damit ist auch die zukünftige Bewirtschaftung des Berggebietes mit den Almen untrennbar verbunden.
Der designierte Veterinärdirektor Matthias Vill wird ab 1. April Nachfolger von Josef Kössler. Seine Tätigkeit wird am Beginn die drei Themen Umsetzung des Tierarzneimittelgesetzes für sparsameren und praxistauglichen Antibiotikaeinsatz, Tiergesundheitsdienst Österreich und in naher Zukunft die Gestaltung des Tierseuchenfonds beinhalten.
Die Grußworte der Rinderzucht Austria überbrachte Obmann-Stellvertreter Thomas Schweigl. Er wies darauf hin, dass es wichtig ist, dass die Fachorganisationen am Verhandlungstisch zu den aktuellen Themen sitzen und so auch die Anliegen der Landwirtschaft einbringen können. Hier hat die Rinderzucht Austria mit der Dachorganisation Nutztier Österreich eine zentrale Aufgabenstellung.
Abschließender Höhepunkt der Generalversammlung war die Ehrung der Besitzer von 100.000 Liter Golden Girls und die Vergabe der Staatspreise und Rinderzucht Austria Auszeichnungen für die erfolgreichen Züchter von der Verbandsrinderschau 2023. Eine besondere Auszeichnung wurde noch Familie Fischbacher aus Niederndorferberg mit der Rinderzucht Austria Lebensleistungsplakette in Bronze für mehr als zehn Golden Girls überreicht.
In seinem abschließenden Plädoyer wies Kaspar Ehammer noch einmal eindringlich auf die Wichtigkeit hin, dass in der Halteformkennzeichnung es unbedingt eine vertretbare und umsetzbare Lösung für die Betriebe geben muss. Weiters forderte er abermals die verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf dem Teller. Gerade sie ist notwendig, um die heimische Wertschöpfung insbesondere bei der Kalbfleischproduktion zu stärken. Zum Abschluss der Generalversammlung gab es dann noch für alle ein Tiroler Jahrlingsgulasch.
Autor: Christian Moser